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Mittwoch, 10. Dezember 2014

Helga König: 6. Antwort zu Rolf Dobellis "Fragen an das Leben"

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"Fragen an das Leben"
"Beschreiben Sie das Gefühl, das Sie beschleicht, wenn Sie unverhofft jemanden Wiedersehen, den Sie vor vielen Jahren einmal geliebt haben.“  (Rolf Dobelli, "Fragen an das Leben", S. 86).

Zu vermuten, dass dann das Herz erneut zu rasen beginnt, wenn uns eine alte Liebe wieder begegnet, ist eine der üblichen Annahmen. Sie trifft aber in den seltensten Fällen zu.

Menschen verändern sich im Laufe der Jahre aufgrund dessen, was sie erlebt haben und damit einhergehend ändert sich auch die sogenannte Chemie, die Auslöser für das ist, was wir als gegenseitige Anziehung begreifen, die Liebe erst möglich macht.

Das Gefühl bei solchen Begegnungen, das uns beschleicht, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Man fragt sich vielleicht bekümmert, wer man selbst war, wenn man einem alten Lover zufällig nach dreißig oder mehr Jahren erneut begegnet und man sich trotz analoger Ausbildung nur noch über Banalitäten austauschen kann. Was ist zwischenzeitlich passiert?

Alte Beziehungen lassen sich nicht aufwärmen. Es gab stets Gründe, weshalb man sich trennte und diese werden viel später dann erst wirklich sichtbar. Mir sind immer wieder Menschen aus meinem frühen Gestern begegnet, kein einziges Mal flammte ein altes Liebesgefühl erneut auf, vielleicht deshalb, weil ich mir stets erlaubt habe, zum Ende einer Liebe ein paar Tränen zu vergießen und auf diese Weise, Verbindungen als unwiederbringlich abschloss. Man muss das, was man liebte und nicht mehr zu lieben vermag,  stets eine Zeitlang betrauern. Das scheint mir wichtig.

Begegnet uns ein Mensch, den wir einst geliebt haben. erneut wieder, läuft blitzschnell ein Film über das gemeinsame Gestern ab, in der Art wie unmittelbar vor dem eigenen Ableben unser Lebensfilm in unserem Kopfkino uns angeblich gezeigt werden soll und uns nicht nur amüsiert. 

Während man vor seinem geistigen Auge beispielsweise Bilder aus der eigenen Jugend sieht und schmunzelt, sitzt ein gealterter Mensch vor uns, dessen Augen vielleicht schon lange nicht mehr leuchten, dessen einstiger Hang zur Ironie sich im Gesicht als böser Spott eingegraben hat und aus dessen konstruktiver Kritikfähigkeit schlimme Nörgelsucht geworden ist.  Das  möchten wir unserem schönen Bild von dem Menschen, das wir bislang  in uns getragen haben,  nicht  hinzufügen. Unser Kopfkino liebt die Illusion.

Noch während man das  Gegenüber, das unserer Vergangenheit angehört, neugierig analysiert und geschäftlich charmant eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wein leert, ist man mit den Gedanken bereits wieder im Hier und Jetzt und hofft keine alten Lover mehr zufällig zu begegnen, sondern sie lieber in Erinnerung zu behalten  so wie sie waren als man selbst noch jünger, faltenloser und unbekümmerter gewesen ist und dabei  immerfort himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.

Je älter wir werden, um so mehr begreifen wir, dass es Liebe ohne Leid nicht gibt und werden insofern zögerlicher. Diese Zögerlichkeit lässt uns täglich ein wenig mehr sterben und die heißen Lieben aus dem frühen Gestern als  immer unwirklicher erscheinen.

Helga König

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