Impressum

Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle- Das Magazin für den anspruchsvollen Leser" wwww.rezensionen.co

Samstag, 2. Januar 2016

#Helga_König: #Sonntagsgedanken 3.01. 2016

Vor einigen Stunden twitterte ich im Vorfeld meiner Überlegungen zu meinen Sonntagsgedanken einige Sentenzen. Zwei davon möchte ich, damit in mein heutiges Thema- es geht dabei um Werte-  einstimmend, der Kolumne voranstellen: 

"Wenn wir begreifen, dass Harmonie nur durch Ausgleich möglich ist, werden wir nicht mehr versuchen, unsere Werte anderen einfach überzustülpen."

"Die veränderte Bevölkerungsstruktur benötigt eine Werteanpassung, damit das zukünftige Zusammenleben harmonisch ablaufen kann."

Ein wesentlicher Wert in der westlichen Welt ist die Freiheit. Diesem Wert wird fast alles untergeordnet. Freiheit in ihrer Komplexität wird aber auch immer häufiger in Frage gestellt, seit man die Grenze der Freiheit vielerorts zu achten aufgehört hat. Diese Grenze ist stets die Freiheit des Andersdenkenden, wie Rosa Luxemburg uns parteiübergreifend ins Stammbuch geschrieben hat. 

Wie gehen wir mit den Werten anderer Ethnien um, die diese seit Jahrhunderten für sich als richtig und lebenswert empfinden? Können wir ihnen einfach unsere Werte überstülpen, nur weil diese Bevölkerungsgruppen hierzulande in der Minderheit sind? Wohl eher nicht. Machen wir uns klar, dass wir unser Freiheitsideal verraten, sobald wir die Grenze der Freiheit missachten. 

Bevor ich über Werte wie Gastfreundschaft, Familie und Ehre nachdenke, möchte ich einen Blick auf den Wert der "Keuschheit" werfen. Es handelt sich dabei um ein ethisches Konzept im Hinblick auf den mäßigen Umgang mit Sexualität. Seit der sexuellen Revolution der 1968er  Jahre ist dieser Wert in der westlichen Welt nur noch eingefleischten Katholiken ein Begriff, obschon es lohnenswert ist, sich mit diesem Begriff näher zu befassen, der als Ideal das Verhalten einer Person bezeichnet, "sich aufgrund eines erworbenen Schamgefühls oder kraft eines bewussten Grundsatzes schamhaft zu verhalten und das Unschamhafte und Verstöße gegen die Sittlichkeit zu meiden."* 

Beim Einkaufen begegnen mir immer wieder junge Musliminnen, die ihr Haar unter einem Kopftuch verbergen und nicht selten sogar Kleidung tragen, die ihre Figur kaschiert, um nicht zuletzt Schamhaftigkeit zu dokumentieren. Oft sind die Frauen gut ausgebildet und durchaus in der Lage, sich den Vorgaben ihrer Eltern zu entziehen. Sie tun es dennoch nicht, weil sie sich zu einem mäßigen Umgang in der sexuellen Darstellung entschlossen haben. Kann man es ihnen verdenken? 

Gibt man auf Twitter den Suchbegriff "Porno-Gifs" ein, gelangt man in einen  für alle zugänglichen Bereich der westlichen Welt, in der  der Umgang in  der sexuellen Darstellung alles andere als mäßig ist. Studiert man diese Gifs, so stellt man fest, dass Frauen zumeist als bloße Objekte männlicher Begierde fungieren und der Wert ihrer Würde nicht selten in Frage gestellt wird. Auch die zur Keuschheit erzogenen jungen Musliminnen können sich dort ein Bild machen und entscheiden, ob sie diese Welt für sich wollen, in der der Männerblick auf sie solchen Vorlagen geschuldet ist. 

Stelle ich diese beiden Eindrücke einander gegenüber, so beginne ich zu begreifen, weshalb die jungen Musliminnen an ihrer Verhüllung festhalten möchten, unabhängig davon, dass es muslimische Männer gibt, die aus diesem Festhalten religiöses oder politisches Kapital schlagen wollen, was ich alles andere als billige. 

Ein nicht zwanghafter Keuschheitswillen ist eine wichtige Grundlage für die Liebe zwischen Mann und Frau mit all ihren romantischen Facetten, die in einer Welt der bloßen sexuellen Begegnung keinen Platz hat. Hier positioniert sich der Körper als austauschbar. Der Mensch ist gesichtslos. Die Augen spielen keine Rolle und damit auch die Seele nicht. 

Beide anskizzierten Verhaltensmuster sind nicht mittig, beide müssen überdacht werden. Der Konsens kann dort gefunden werden, wo man die Würde der Freiheit als Gefährtin zur Seite stellt, dann können auch bedenkenlos die Hüllen fallen.

Kommen wir zur Ehre. Es handelt sich um einen wichtigen Begriff nicht nur in der islamischen Welt. Sich hier entgegenzukommen, dürfte in mancher Hinsicht schwierig werden, weil der muslimische Ehrbegriff viel auch mit Kontrolle seitens der Männer Frauen gegenüber zu tun hat. Diesem Kontrollverhalten kann nicht zugestimmt werden, weil Mann und Frau sich hier nicht auf gleicher Augenhöhe begegnen. Hier sollten unsere Wertvorstellungen als Geburtshelfer für mehr Toleranz fungieren, wobei diese mit Sicherheit schwere Geburt keineswegs mit der Zange herbeigeführt werden darf. 

Sich jedoch generell untadelig zu verhalten, sollte als Wert an sich in der ganzen Gesellschaft an Bedeutung gewinnen. Wir wissen nur als zu gut, wie eine Gesellschaft ausschaut, in der die Kaufmannsehre mit Füßen getreten wird, haben wir doch in 2015 einen Wirtschaftsskandal nach dem anderen erlebt. Wenn wir achtungswürdig sein wollen, dürfen wir uns nicht auf Kosten anderer bereichern, dürfen Potentaten in Drittländern keine Waffen liefern und müssen für fairen Ausgleich sorgen.

In der westlichen Konsumwelt ist es für manchen schwer begreifbar, dass die Ehre, das Geachtet-Werden moralisch höher angesiedelt ist als durch Betrug erworbener Luxus. Dies hängt damit zusammen, dass man Moral mit Zynismus entgegentritt, um ungestört weiterbetrügen zu können. Die Ergebnisse sehen wir in einer immer mehr auseinander brechenden Gesellschaft. 

Ein wenig über Ehre anderer Ethnien in Erfahrung zu bringen, könnte heißen, sich generell mit dem Begriff der Achtungswürdigkeit auseinanderzusetzen, die voraussetzt, dass man den Grundregeln der Gesellschaft mehr Bedeutung zumisst und erkennt, dass Regelbrecher zumeist keine schlitzohrigen Helden sind, sondern fast immer vor nichts zurückschreckenden Gierhälse, die maßgeblich zum Untergang einer Gesellschaft beitragen. 

Der Wert der Familie hat in der westlichen Gesellschaft unendlich an Bedeutung verloren. Falsch verstandene Freiheit und das Augenmerk auf das rein Materielle hat viele Familien zerrüttet. Der Warencharakter des Menschen in unserer materialistischen Gesellschaft  macht uns alle austauschbar. Alt wird gegen jung, materiell unbegütert  gegen begütert, minder intelligent gegen intelligent, krank gegen gesund und hässlich gegen schön getauscht, sofern man die pekuniären Mittel dazu hat. 

Kinder werden im Dunstkreis solcher Betrachtungen hochneurotisch und gehen restlos traumatisiert in eine Zukunft, die sie nicht begreifen können, weil man ohne das Rüstzeug von Werten, die Welt mit ihren vielen Facetten nicht wirklich erfassen kann.    

Kommen wir zur Gastfreundschaft. An vielen Plätzen der Welt wird sie gepflegt, wird man mit offenen Armen empfangen. Viele, die in unser Land gekommen sind, können uns lehren wie schön Gastfreundschaft sein kann und oft sind es jene, die am wenigsten besitzen, die den Wert der Gastfreundschaft besonders hoch halten, weil sie ihnen eine Ehre ist.

Eine Portugiesin erzählte mir, dass in ihrer Heimat, selbst ganz arme Menschen unerwarteten Gästen mit viel Freude ein Stück Brot und ein Glas Wein anbieten, um ein wenig mit ihnen zu plaudern und anzuzeigen, dass ihre Gäste willkommen sind. Im letzten Jahr hat sich bei uns etwas entwickelt, was man nicht mehr für möglich gehalten hat: Eine Willkommenskultur. 

Sie dokumentiert, dass die gelebte Gastfreundschaft der in den letzten Jahrzehnten aus fremden Ländern zu uns Gekommenen etwas bei uns ausgelöst und bewirkt hat. Wir haben etwas gelernt.
Ein Wert wurde wiederentdeckt, der in unserer Gesellschaft des reinen Vorteilsdenkens in Vergessenheit geraten war, wie so viele andere Werte, die in ihrer Gesamtheit den Wert der Würde des Menschen schützen. 

Freiheit ohne Würde führt zu all jenem, was sich uns in 2015 als  Ansammlung von Skandalen  und Schrecken offenbart hat und was wir in 2016 nicht mehr akzeptieren wollen. 

Helga König

#vgl: wikipedia 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen