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Samstag, 16. April 2016

Helga König: Sonntagsgedanken, 17.4. 2016

Wo endet die Freiheit der Kunst? Was soll Satire bezwecken? 

Liest man die Schmähkritik Jan Böhmermanns, fragt man sich, was den Satiriker umgetrieben hat, einen solch,  in meinen Augen beleidigenden Text zu verfassen und ihn in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender vorzutragen. 

Kann man mit dieser Schmähschrift Bewusstsein geschaffen werden? Wohl kaum. 

Der Text ist abgründig sexistisch verfasst und dient nicht der politischen Aufklärung, die Sinn der politischen Satire sein sollte. Im Idealfall sollte Satire Erkenntnis ermöglichen. Dass sie latent aggressive Momente enthalten kann, steht außer Frage, doch sie sollte es vermeiden, einen Menschen in seiner Würde zu verletzen, selbst dann, wenn es sich beim Adressaten beispielsweise um einen niederträchtigen Psychopathen handelt. 

Wir alle wissen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und auch nicht durch die Freiheit der Kunst ausgehebelt werden kann. Die Akzeptanz der Würde des Menschen steht über allem. Sie allein ist der Maßstab. 

Weshalb Böhmermann in seiner Schmähkritik den Adressaten mit Sodomie und Kinderpornographie in Verbindung bringt, weiß er nur selbst allein. Was will der Satiriker uns damit sagen? Hat er Anhaltspunkte für seine Äußerungen oder wollte er ausschließlich mittels sophistischer Methodik sexistisch verunglimpfen? 

Wir leben schon lange in einer Rüpel-Republik. Wer Shitstorms im Internet beobachtet hat oder selbst erleben musste, weiß wie fies Menschen zu holzen in der Lage sind, die sich hinter einem Nik-Namen verstecken. Auch hinter dem Schutzschild der Freiheit der Kunst kann geholzt werden. Hier muss man an die Verantwortung der Künstler appellieren. 

Sachliche Kritik, extrem überhöht in Satire und Karikatur, ist selbstredend absolut wünschenswert, doch persönliche, üble Nachrede ist vor allem niveaulos und verfehlt das Ziel der Aufklärung. Im Falle der Schmähkritik Boehmermanns werden die Menschenrechtsverletzungen seines Adressaten dadurch relativiert, dass sie in der Satire nicht im Fokus stehen, sondern stattdessen auf unterstellte sexistische Obsessionen abgehoben wird. Auf diese Weise geht der Schuss nach hinten los. Das war nicht sehr klug. 

Die Schmähschrift satirisch  in ein "NOGO"  zu verpacken, um auf diese Weise  damit keulen zu können, war kein besonders schlauer Kunstgriff, wie man jetzt  sieht. 

Eine Schmähschrift wie jene Böhmermanns wird gewiss beim primitiven rechten Rand der Gesellschaft beklatscht werden, weil mit latent fremdenfeindlichen Klischees nicht gespart wurde. Zudem  werden all jene begeistert sein, deren niedere Instinke durch  die sexistischen Äußerungen befriedigt wurden. Das verspricht natürlich Quote. Doch zu welchem Preis?

Deutschland kann auf viele fantastische Satiriker zurückblicken, die als Vorbilder für die Kunst der Satire aufgezählt werden können. Zu diesen hochintelligenten, humorig- spitzzüngigen Menschen zählen Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Heinrich Mann, Maler wie Otto Dix, auch Loriot, Ephraim Kishon, Hanns-Dieter Hüsch und die Journalisten von Pardon und der Titanic. 

Wer Quote im Fernsehen machen will, weiß dass Feinsinnigkeit kein geeignetes Mittel ist, um die Massen an sich zu binden und bevorzugt deftige Kost. Die Freiheit der Kunst allerdings ist kein unendlich auszudehnendes Strechband, sofern die Kunst weiterhin als menschliches Kulturprodukt betrachtet werden soll.  

Wie Albert Schweitzer uns wissen lässt, erstrebt Kultur die geistige und sittliche Vollendung des Einzelnen. Genau darum geht es. Diesem Anspruch muss Kunst genügen und damit  auch  die Satire. Durch sexistische Verunglimpfung bewirkt man keine geistige und sittliche Vollendung des Einzelnen, sondern spielt jenen in die Karten, die man beispielsweise aus politischen Gründen an den satirischen Pranger stellen möchte.  

Was ist ein intrigantes Spiel? Wem sollte durch die Schmähschrift in erster Linie geschadet werden? Das ist die Frage,  über  die es lohnt, intensiv nachzudenken.

Helga König

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