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Samstag, 30. Juli 2016

Helga König: Sonntagskolumne 31.7.2016

"Um einen guten Liebesbrief zu schreiben, musst du anfangen, ohne zu wissen, was du sagen willst, und endigen, ohne zu wissen, was du gesagt hast." (Jean- Jacques Rousseau) 

Verfasser dieser zum Nachdenken anregenden Sentenz ist der französisch- schweizerische Philosoph und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau (1712-1778). Er war nicht nur der Autor von berühmten gesellschaftspolitischen, poetischen und pädagogischen Schriften und Bekenntnissen, sondern schrieb auch den Roman "Julie oder Die neue Heloise". 

Jeder, der sich mit den großen Liebenden der Geschichte näher befasst hat, kennt den Namen Heloise. Sie war jene bemerkenswert intelligente, schöne Tochter aus adeligem Hause, die sich in ihren Hauslehrer verliebte und als Priorin einer Abtei in der Champagne 1164 verstarb. Dazwischen spielte sich eine Tragödie ab, die selbst bei den alten Griechen für Entsetzen gesorgt hätte. 

Der Mann, den Heloise liebte und begehrte, hieß Peter Abaelard. Er wurde in späteren Jahren zum bedeutendsten Philosophen seiner Zeit, möglicherweise als Ergebnis unsäglichen Leids, das er transformiert hatte, weil die Vernunft es ihm gebot. 

Als Heloise von ihrem Geliebten schwanger wurde, ließ ihr Onkel aus Rache Abaelard entmannen. Der Verstümmelte überlebte jedoch die grausige Bluttat und zog sich in das Kloster Saint Denis zurück. Heloise trat den Benediktinerinnen bei und ging ebenfalls einen klösterlichen Weg. Die beiden Liebenden schrieben sich bis zum Ableben Abaelards  Briefe, die weltbekannt wurden. 

Rousseau verfasste in Erinnerung an Abaelard und Heloise den Briefroman "Julie oder Die neue Heloise", der allerdings nicht Gegenstand der Kolumne ist. Ich erwähne den Roman deshalb, weil obige Sentenz auf diesem Hintergrund besser zu verstehen ist. 

Gewiss hat sich Rousseau, der berühmte Fürsprecher des Gefühls, der sich gegen die Dominanz aufklärerischer Vernunft positionierte, mit den Briefen des mittelalterlichen Liebespaares näher befasst als er seinen Roman schrieb und wusste auch um Peter Abaelards Affinität zur Vernunft lange vor der Zeit der Aufklärung. Möglicherweise sogar ist obige Sentenz das Ergebnis der Beschäftigung mit den Briefen von Heloise an ihren Geliebten.

Liest man diese, erkennt man, dass zum Schreiben von wirklich guten Liebesbriefen eine tiefe Sehnsucht notwendig ist und uns als Leser solche Briefe dann am meisten berühren, wenn wir, um die Aussichtslosigkeit der Erfüllung besagter Sehnsucht wissen. 

Mir fällt kein tragischer endendes Liebespaar ein, als Heloise und Abelard. 

"Die größte Liebe ist immer die, die unerfüllt bleibt", schreibt Peter Ustinov. Wenn dem tatsächlich so ist, sind die schönsten Liebesbriefe vermutlich jene, die aus Sehnsucht zur unerfüllten größten Liebe verfasst werden, sind die schönsten Briefe jene von Heloise an Peter Abaelard.

Helga König

Anbei ein Link zu Briefauszügen von Heloise  an Peter Abelaerd: Briefauszüge

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