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Sonntag, 11. September 2016

Helga König: Sonntagsgedanken,11.9.2016

Als ich vor einigen Tagen eine Gartenimpression postete, schrieb eine meiner Followerinnen sinngemäß, nicht jeder habe einen Garten, das solle man bedenken. Spontan erinnerte ich mich daraufhin an meine frühe Kindheit, wo in ländlichen Gebieten wirklich noch nahezu jeder einen Garten sein eigen nannte. Leute, die zur Miete wohnten, pachteten einen Schrebergarten, um auf diese Weise ihre Familie kostengünstig versorgen zu können, aber auch, um sich in ihrer Freizeit des Grüns und der Blumen zu erfreuen.

Berufstätige Menschen hielten sich an Wochenenden zumeist im Freien auf, werkelten in ihrem eigenen oder gepachteten Garten oder feierten dort mit Freunden die Sommertage. Es waren zumeist alte Bauerngärten, die junge Paare inspirierten, kleine Paradiese zu gestalten und Gärtnerwissen in die nächste Generation zu tragen.

Kleine Mädchen hatten nicht selten ein eigenes Beet, das sie hegten und pflegten und erlernten auf diese Weise früh schon, dass ein Gartenparadies nicht von allein entsteht, man es deshalb an heißen Tagen intensiv bewässern muss, damit die Blumen nicht welkten.

Ließ sich ein Marienkäfer auf dem Arm eines Kindes nieder oder entdeckte es in den Lüften einen Schmetterling, war das Glück perfekt. Die kleine Seele konnte sich entwickeln, weil Bescheidenheit es ermöglichte, die Natur und alles was lebte, selbstvergessen bestaunen zu können.

Kinderglück bestand aber auch darin, wenn eine Großmutter im Nachbargarten Himbeeren oder Kirschen verschenkte und man sich - mit viel Respekt vor dem Alter- herzlich bedankte und sich durch das gütige Lächeln dieser betagten Gärtnerinnen angenommen und geliebt fühlte.

Solche Idyllen hat es übrigens viele Jahrhunderte gegeben. Sie endeten mit der  fortschreitenden Technisierung unserer Welt.  Fortan wurde man der Sentimentalität verdächtigt, wenn man  von jenen alten Zeiten sprach.

Nun wurden bei den meisten Gartenbesitzern die Rasenflächen immer größer, weil Gemüsen und Obst in Supermärkten gekauft werden konnte, Frauen künftig berufstätig waren und keine Zeit mehr blieb, die Gartenfrüchte für den Winter zu konservieren.

Jetzt sprach das Exotische immer mehr an. Selbst im Monat Juni waren nur noch selten Erdbeerböden auf Geburtstagstafeln zu sehen, weil eingedoste Mandarinen aus Japan nun die Torten zierten. Die Entfremdung war allerorten spürbar und  die Kinder begannen depressiv zu werden.


Blassbunte Sträuße mit Levkojen für verstorbene Angehörige wurden jetzt auch immer seltener auf den Friedhof gebracht. Man sah keine Veranlassung mehr, die Toten zu ehren, in einer Welt, in der die Spiritualität stets weniger Bedeutung hatte und Seelenlosigkeit nun Bestandteil des Zeitgeistes war.

Üppig blühende Gärten gehörten fast überall dem Gestern an. So konnten nur noch wenige den Duft von Dahlien und Astern, den Blumen des Spätsommers, beschreiben und was ein Maßliebchen ist, wusste kaum einer mehr. Die Welt war eine andere geworden. In ihr war der Winter eingekehrt.

Wen wunderte es da noch, dass die Menschen immer aggressiver wurden und das Glück jener bewusst zu zerstören trachteten, die unverdrossen ihren Bio-Garten hübsch gestalten wollten?  Wen irrirtierte es noch, dass solche seelenlosen Zeitgenossen in Nacht- und Nebelaktionen Hausbegrünungen vernichteten, Tulpenzwiebeln zuhauf aushackten und selbst vor dem "Tränenden Herz" nicht zurückschreckten? 

Zeitgeist… Immer mehr Bäume sind seither der Technisierung der Welt geopfert worden und aus immer mehr Gärten wurden zubetonierte Steinwüsten der Dritt- und Viertautos wegen. Immer mehr Menschen sterben an Krebs, vielleicht weil es immer weniger Gärten gibt und man immer noch nicht begriffen hat, das denaturierte Nahrung unser aller Todesurteil ist.

Vielleicht denkt der ein oder andere ein wenig melancholisch an Fontanes Gedicht "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland"  und hofft, dass es nicht von allen vergessen wird, denn es steckt voller Weisheit... 


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