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Sonntag, 12. Februar 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 12.2.2017

Am 11. und 12. Februar wurden in zwei unterschiedlichen Epochen zwei namhafte deutschsprachige Lyrikerinnen und eine ebenso namhafte Schriftstellerin geboren.

Die am 11. Februar 1780 zur Welt gekommene Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode war eine Dichterin der Romantik. Ihre Herkunftsfamilie gehörte im 16. Jahrhundert zu den führenden Patriziergeschlechtern in Frankfurt/Main. Sie selbst studierte- für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich - als Stiftsfräulein Philosophie, Geschichte, Literatur und Mythologie und träumte von einem selbstbestimmten Leben. Karoline war ein Freigeist. Dies zeigen ihr Leben und ihre romantisch-schwermütigen Gedichte. Dass die Lyrikerin im Alter von nur 26 Jahren der Liebe wegen ihrem Leben ein Ende setzte, war gewiss ihrer romantischen Seele geschuldet, auch die Art des Todes, den sie wählte, war romantisch.

Denkt man an Romantik, kommen uns Dichter Lord Byron, Novalis und Hölderlin spontan in den Sinn. Vorbilder der Romantik waren vor allem die Antike, das als "romantisch" empfundene Mittelalter, auch orientalische und chinesische Kulturen. Man suchte nach dem Fremden, dem Andersartigen, dem Unbewussten, vielleicht auch geheimnisvoll Fantastischen in den dunklen Seiten des Lebens. Die Romantik war, die Erwähnung des britischen Dichters Lord Byron verdeutlicht es, eine gesamteuropäische Bewegung, die geprägt war von der philosophischen Auseinandersetzung über die Bedeutung und die Autonomie von Kunst.

In literarischen Werken, ging es inhaltlich in erster Linie um die Reflektion von Geschichte, Literatur und Kunst. Diskussionen fanden u.a. in Salons statt. Vielleicht hat man auch über nachstehendes Gedicht der Günderrode debattiert, das deren eigenes Ableben vorwegnimmt.

Ariadne auf Naxos

Auf Naxos Felsen weint verlassen Minos Tochter.
Der Schönheit heisses Flehn erreicht der Götter Ohr.
Von seinem Thron herab senkt, Kronos Sohn, die Blitze,
Sie zur Unsterblichkeit in Wettern aufzuziehn.

Poseidon, Lieb entbrannt, eröffnet schon die Arme,
Umschlingen will er sie, mit seiner Fluthen Nacht.
Soll zur Unsterblichkeit nun Minos Tochter steigen?
Soll sie, den Schatten gleich, zum dunklen Orkus gehen?

Ariadne zögert nicht, sie stürzt sich in die Fluthen:
Betrogner Liebe Schmerz soll nicht unsterblich seyn!
Zum Götterloos hinauf mag sich der Gram nicht drängen,
Des Herzens Wunde hüllt sich gern in Gräbernacht

Karoline Günderrode


Die Dichterin Else Lasker-Schüler, wurde am 11. Februar 1869 geboren. Sie gilt als eine wichtige Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der Literatur. Schon im Alter von vier Jahren konnte die Enkelin eines Großrabbiners lesen und schreiben und galt als Wunderkind. Bereits vor ihrer Ehe mit dem Schriftsteller Herwarth Walden veröffentlichte sie einen Lyrikband und war später mit namhaften Dichtern wie Gottfried Benn,  Franz Werfel und  Georg Trakl befreundet. Für Benn war sie "die größte Lyrikerin, die Deutschland  je hatte". Ihre Gedichte gelten als traumhaft, mitunter schwärmerisch und visionär. Obschon so völlig anders, erkennt man im nachstehenden Gedicht dennoch  die Seelenverwandtschaft zu Karoline  Günderrode.

Aber ich finde Dich nicht mehr

Ich gleite meinen lallenden Händen nach,
Die suchen überall nach dir.

Aber ich finde dich nicht mehr
Unter den Dattelbäumen,
Unter den Zweigen der Träume.

Alle meine starren Kronen sind zerflossen
Vor deinem Lächeln
Und zwischen unseren Lippen jauchzten die Engel.

Ich will meine Augen nicht mehr öffnen,
Wenn sie sich nicht
Mit deiner Süße füllen.

Else Lasker-Schüler


Am 12. Februar 1869 wurde Lou Andreas-Salomé geboren. Sie war Schriftstellerin, auch Lyrikerin und Psychoanalytikerin. Studiert hatte sie in Zürich Religion und Kunstgeschichte und war mit vielen namhaften Persönlichkeiten eng befreundet. Unter ihren Freunden waren Rainer Maria Rilke, Friedrich Nietzsche, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind und Sigmund Freud.

Andreas-Salomé schrieb u.a. mehrere Romane und Erzählungen, aber auch  Gedichte, deren Inhalte vorwiegend psychologisch- emanzipatorisch sind.  Ihren Träume wurden durch Analyse die Schwermut genommen.   

Alle drei Frauen waren überdurchschnittlich intelligent und hochgebildet, ihrer Zeit intellektuell voraus und vielleicht genau deshalb sehr  kompliziert in ihrer Gefühlswelt.

Lou unterschied sich allerdings von Karoline und Else durch ihr unverbrüchliches Ja zum Leben, das durch keinen Mann in Frage gestellt werden konnte. Das macht sie so modern, dabei aber auch letztlich  untauglich für  jene Träume, die nicht nur  Rilke vergeblich zu leben versuchte.

Gebet an das Leben

Gewiss, so liebt ein Freund den Freund
wie ich dich liebe, rätselvolles Leben!
Ob ich in dir gejauchzt, geweint,
ob du mir Leid, ob du mir Lust gegeben,
ich liebe dich mit deinem Glück und Harme,
und wenn du mich vernichten mußt,
entreiße ich schmerzvoll mich deinem Arme,
gleich wie der Freund der Freundesbrust.

Lou Andreas-Salomé


Der französische Philosoph und Mathematiker René Decartes starb gestern vor 367 Jahren. Er sagte einst: "Denn mit den Geistern anderer Jahrhunderte verkehren, ist fast dasselbe wie reisen."

Nicht mit jedem Geist kommt man  im Hier und Heute an. Mit dem Geist  Lou Andreas Salomés dürfte es klappen, auch wenn wir wehmütig auf die Dichter und Dichterinnen des Gestern zurückblicken, die wir während er Zeitreise kennengelernt haben.

Helga König


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