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Sonntag, 2. April 2017

Helga König: Sonntagskolumne 2.4.2017

Um ein Bewusstsein für die Natur zu entwickeln, muss man die Pflanzen- u. Tierwelt benennen können. Man lernt zu sehen, was man zu benennen weiß. (H.K.)

In meinem Büro hängt seit Jahren ein Druck eines Aquarells von Albrecht Dürer. Es handelt sich dabei um "Das große Rasenstück". Der Künstler hat es 1503 gemalt. Zu sehen ist ein Stück Wiese mit Gräsern und Kräutern. Ignorante Zeitgenossen zertreten achtlos solches Leben, weil sie nicht sehen und erkennen, welches Paradies sie da zertrampeln. Fragt man sie nach den Namen der geschundenen Pflanzen, tröten sie tumb, das sei doch bloß Gras. 

Der Löwenzahn und Wegerich auf dem Gemälde sind relativ einfach zu bestimmen. Bei Knäuelgras, Breitwegerich, Ehrenpreis, Schafgarbe und Gänseblümchen, die auch mit zarten Pinselstrichen festgehalten worden sind, ist die Bestimmung nicht mehr ganz so einfach. Dazu kommen noch einige andere Pflanzen auf diesem kleinen Stück Natur, das die Vielfalt, die unsere Erde hervorzubringen vermag, subtil dem Betrachter vermitteln will. 

Bilder wie dieses, sollten im Biologieunterricht gezeigt werden, damit Kinder schon früh ein Bewusstsein erhalten für das, was Albrecht Dürer uns allen als philosophische Botschaft mit auf den Weg gegeben hat. 

Als 10 jährige sah ich erstmals durch ein Mikroskop das Innenleben einer Wiesensalbei-Blüte. Ich war davon so fasziniert, dass ich nicht mehr aufhören konnte mir Blumen, aber auch Blätter genauer anzuschauen, um deren individuelle Schönheit zu erfassen. Blätter von Bäumen und Pflanzen zu bestimmen, zu wissen welches Blatt zu wem gehört und die Tiere im Garten als dem irdischen Paradies zugehörig zu begreifen, Regenwürmer, Schmetterlinge, Marienkäfer und so viele andere Lebewesen benennen zu können, ist der erste Schritt  um sich näher mit all dem Leben  auf unserer Erde zu befassen und es am Ende zu schätzen, vielleicht auch zu lieben. 

Wer das Leben liebt, hört auf es zu zerstören.

Heute vor 370 Jahren wurde in Frankfurt die Naturforscherin Maria Sibylla Merian geboren. Aufgrund ihrer genauen Beobachtungen und Darstellungen zur Metamorphose der Schmetterlinge gilt sie als wichtige Wegbereiterin der modernen Insektenkunde. Merian hat u.a. junge Frauen in Blumenmalerei unterrichtet und der Nachwelt eine Vielzahl schöner Pflanzen und Insektendarstellungen hinterlassen, die zu bewundern uns ganz ähnlich wie Dürers "Großes Rasenstück" der Natur näher bringt. 

Wer ist in der Lage Schöllkraut auf Anhieb zu erkennen? Ein Maler aus dem Umkreis von Dürer hat 1526 ein Aquarell gemalt, das die Details der Physionomie dieser Pflanze offenbart und einem Maler aus dem Umkreis von Lucas Cranach dem Jüngeren war die Schlüsselblume es wert,  als Aquarell zu Papier gebracht zu werden und zwar gemeinsam mit einem Marienkäfer. Diese wunderschönen Bilder sind ein Ausdruck von Naturliebe. 

Wo ist diese Liebe geblieben? Hat sie aufgehört als die Menschen die Lust daran verloren haben, die Natur vielgestaltig in der Kunst festzuhalten? Hat sie aufgehört mit der Gier, alles auszubeuten, um sich endlos zu bereichern?

Wer Pflanzen und Tiere zu benennen weiß, wird sie achten lernen.  

Dankbar bin ich all den Fotografen, die der Natur huldigen. Sie tragen zum Bewusstsein bei, sie zu schützen und zu bewahren.

Nur wer sieht, kann staunen. Wer staunt, beginnt zu achten. 

Helga König

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