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Sonntag, 7. Mai 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 7.5.2017

"Vergessen wir nicht, dass unser Weg und unser Ziel die Liebe ist- die Liebe, die alle Lasten leicht tragen lässt, denn sie entströmt unaufhörlich den Quellen des ewigen Lichts." (Franz Liszt in einem Brief an Carolyne Sayn-Wittgenstein) 

Vorgestern postete ich kurz hintereinander drei Tweets, die zum Nachdenken anregen sollten. Diese lauteten:

"Weshalb die Frauen Casanova liebten? Weil er hinreißend intelligente Geschichten erzählen konnte und dabei charmant war.“ 

"Weshalb die Frauen Chopin liebten? Weil er ihre Seele begriffen hat" 

"Weshalb die Frauen Goethe liebten? Weil er Poesie besaß und früh schon erkennbar weise war."

Handelt es sich um Liebe, wenn man einen anderen aufgrund seiner Eigenschaften, Fähigkeiten oder Leistungen bewundert und wertschätzt oder ist Liebe doch etwas völlig anders? 

Eigenschaften sind angeboren, Fähigkeiten hingegen werden erworben und Leistungen können aufgrund von Eigenschaften und Fähigkeiten erbracht werden. 

Einen Menschen zu "lieben", weil er intelligente Geschichten erzählen kann und dazu noch charmant ist, heißt, ihn als Mittel zur Befriedigung eigener schöner, kurzweiliger Stunden zu nutzen, sich aber für den Menschen, der sie uns bereitet, nicht wirklich zu interessieren. Ganz ähnlich schaut es aus, wenn wir jemand dafür "lieben", weil er Poesie besitzt und früh erkennbar weise ist. 

Was uns antreibt in einer solchen vermeintlichen Liebe ist Eigennutz. Der Mensch tritt in den Hintergrund. Wir wollen uns bereichern, durch seine Fähigkeiten und nennen es dann Liebe. Auch wenn ein Dritter durch seine Musik zeigt, dass er die Seele von uns Frauen begriffen hat, ist es erneut Eigennutz, der uns von Liebe sprechen lässt. Gemeint aber ist auch hier in erster Linie Vorteilsdenken und nicht das, was den "Quellen des Lichts entspringt". 

Wann aber lieben wir einen anderen Menschen wirklich? Wenn wir unseren Egoismus vollständig überwinden? Wenn wir vom anderen nichts erwarten, auch nicht mit ihm verschmelzen wollen? 

Was lässt Liebe entstehen, wenn wir unbeeindruckt von den Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistungen eines Menschen uns in diesen verlieben und sich daraus Liebe entwickelt? Vermutlich handelt es sich dann um rein seelische Anziehung, die wir nicht zu deuten vermögen und die für Dritte mitunter vollkommen unverständlich ist. 

Wenn sich Menschen, die sich eigentlich nichts zu sagen haben, weil ihre Interessen oder ihre geistigen Fähigkeiten Lichtjahre voneinander entfernt liegen und sexuelle Affinitäten auch keine Rolle spielen, dennoch viele Jahrzehnte lieben und füreinander da sind, dann gibt es für Dritte in unserer kurzlebigen Zeit viel zu staunen.

Liebende teilen ihr Leben, ihre Handlungen und ihre Gefühle, las ich kürzlich bei der Schweizer Philosophin Angelika Krebs. Das Teilen habe einen Eigenwert, der um seiner selbst willen erfolge. Das Teilen bezieht sich nicht auf einzelne Handlungen und Gefühle, sondern auf das Teilen selbst. 

Das Teilen um seiner selbst willen entspricht nicht dem momentanen Zeitgeist. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb außer Verliebtheit in unserer narzisstischen Gesellschaft kaum ein Beziehungsband möglich ist und man Verliebtheit aus Unkenntnis immer häufiger mit Liebe verwechselt. Einen anderen um seiner selbst willen zu lieben, macht erforderlich, seine Egoismen auf den Prüfstand zu stellen. 

Bei allem aber muss uns bewusst sein: "Es bleibt zwischen Menschen, sie seien noch so eng verbunden, immer ein Abgrund offen, den nur die Liebe, und auch nur mit einem Notsteg, überbrücken kann." (Hermann Hesse) 

Diesen Notsteg zu bauen, ist unserer aller Lebensaufgabe.

Helga König

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