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Samstag, 19. August 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 20.8.2017

Gestern Abend las ich auf Facebook einen Post, der eingangs zwei Fotos zeigt: Das erste Foto visualisiert eine junge Frau, die vor einem offenbar schwerverletzten oder toten Mann kniet, daneben ein Kindersportwagen mit einem Kind, dessen Beinchen man  nur sieht und ein weiteres Kind, das sich weinend am Kinderwagen festhält. Das zweite Foto, ein Passfoto, zeigt den jungen Mann, der auf dem ersten Bild auf der Straße liegend zu sehen ist. Es handelt sich um den Italiener Bruno Gulatto. 

Thematisiert wird in dem Post das Leid dieser jungen italienischen Familie. Der 35 jährige Vater Bruno Gulotta wurde seitens der Terroristen getötet als er seine Kinder und seine Frau vor dem herbeirasenden Kleinlaster schützen wollte, den die Täter als Mordinstrument nutzten. Die Gulottas hielten sich an diesem Tag wie so viele andere Menschen als Touristen auf den Ramblas, einer 1,2 km langen Promenade im Zentrum von Barcelona, auf. 

Darf man solche Bilder zeigen? 

Macht es Sinn das Leid der Betroffenen auch visuell zu thematisieren, selbst auf die Gefahr hin, dass Islamhasser dies zum Anlass nehmen, fremdenfeindliche Parolen heraus zu plärren?

Die Literaturkritikerin Susan Sonntag schrieb zu Beginn dieses Jahrtausends einen lesenswerten Essay mit dem Titel "Die Leiden anderer betrachten" und kommt darin zu dem Ergebnis, dass solche Bilder dazu beitragen, der Inhumanität ein Ende zu setzen. Dieser Meinung habe ich mich schon damals angeschlossen und bin heute noch genau so überzeugt davon, dass an drastischen Beispielen gezeigt werden muss, was Krieg und Terror tatsächlich bedeuten. Es geht nicht darum, sich an solchen Bildern zu weiden, sondern Bewusstsein dafür zu schaffen, was sich bei diesen brutalen Angriffen tatsächlich ereignet. Deshalb auch sollte über Einzelschicksale informiert werden. 

Was entwickelt werden muss, ist Empathie und nicht Hass. Empathie macht Nähe erforderlich. 

Im Falle von Barcelona handelt es sich bei den 14 Toten und mehr als 100 Verletzten um Menschen aus 34 Ländern und zwar aus: Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Marokko, Kanada, Kolumbien, Peru, China, Rumänien, Venezuela, Kuba, Ecuador, Ägypten, Spanien, USA, Philippinen, Frankreich, England, Griechenland, Niederlande, Taiwan, Honduras, Ungarn, Irland, Italien, Kuwait, Mazedonien, Pakistan, Dominikanische Republik, Türkei, Australien und Deutschland.

Den Tätern war es augenscheinlich gleichgültig, ob ihre Opfer Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, Hindus oder Atheisten waren. Es ging ihnen offenbar darum, durch ihre menschenverachtende Tat Angst und Schrecken auf der ganzen Welt zu verbreiten. Die Täter kommen nicht aus Kriegsgebieten, sondern größtenteils aus Marokko. 

Ob Fanatismus ausreicht, um so bestialisch zu morden, möchte ich bezweifeln. Worum es hier geht, ist meines Erachtens der Machtrausch hochaggressiver Psychopathen, der in dieser neuen Form zu morden, ausgelebt wird. 

Waren es 2001 Flugzeuge, die in New York bei dem Angriff auf die Menschen, die im World Trade Center gearbeitet haben,  als Mordinstrumente eingesetzt wurden, sind es seit Nizza LKWs, mittels denen Leid und Tod verursacht wird. Die Tatsache ganz ohne übliches Kriegsmaterial eine Vielzahl von Zivilisten töten zu können, wird immer wieder machtbesessene Psychopathen zu solchen Handlungen treiben, die sie dann ideologisch oder religiös zu legitimieren suchen. Darauf sollte man sich  realistisch einstellen.

Was kann man tun? 

Straßen und Plätze besser abzusichern, ist natürlich eine wichtige Maßnahme. Ebenso wichtig allerdings erscheint mir, weltweit ein wirklich ethisches Bewusstsein zu schaffen und  hier vor allem das Mitgefühl zu fördern. 

Das ist auch möglich, indem man Leid visualisiert, zwar nicht pausenlos – dann stumpft der Betrachter ab- aber beispielhaft, um so das Leid aus der Anonymität herauszuholen. Was bedeutet es schwer verletzt zu sein? Wie ist jemand gestorben? Welches Leben haben die Opfer bis zum Attentat geführt? 

Potentielle Täter müssen abgeschreckt werden, Scham entwickeln von ihrem Tun, indem man ihnen bewusst macht, wohin ihre perversen Machtgelüste führen. Sie müssen das Leid anderer sehen, spüren und begreifen. Vielleicht rüttelt sie dies  wach,  bevor sie zur Tat schreiten. 

Die sozialen Netzwerke bieten die Möglichkeit, potentielle Täter zu erreichen und sollten täglich zur Aufklärung genutzt werden. 

Blickt man auf die Auflistung der Toten und Verletzten in Barcelona wird klar, dass die Marokkaner auch vor ihren Landleuten nicht Halt gemacht haben. Es war ihnen gleichgültig, wen sie verletzten oder töteten. Das macht deutlich, dass es mit der religiösen Legitimation nicht weit her ist. 

Hier handelten, ich betone es nochmals, hochaggressive Menschen, denen es an Mitgefühl mangelt. Solch gewaltbereite Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, wird nicht einfach sein, aber es ist die einzige Chance, uns vor ihren Ausbrüchen zu schützen. 

 Helga König

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