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Samstag, 18. November 2017

Sonntagskolumne Helga König: 19.11.2017

"Leute, die für alles Verständnis haben, bieten keinen Halt." 

Der Designer Wolfgang Joop, der dieses Wochenende seinen 73. Geburtstag feiert, ist der Verfasser des obigen Zitates, über das es sich lohnt, nachzudenken. Stimmt das, was er hier sagt? 

Wer für alles Verständnis hat und dieses auch zeigt, mag zwar dennoch vielleicht Grenzen formulieren, doch kaum einer hat mit Konsequenzen zu rechnen, wenn diese Grenzen übertreten werden, weil der Verständnisvolle stets eine Erklärung parat hält, wieso und warum, der andere die Grenzen überschritten hat und sich dann schwer tut mit eventuell notwendigen Sanktionen. Der Grenzüberschreiter (m/w) freut sich, wenn er bei allem noch getröstet wird und macht jenen, die sich korrekt verhalten, eine lange Nase. 

Bei Kindern ist offen gezeigtes Verständnis für Fehlverhalten besonders fatal, weil der Raum, mit dem sie konfrontiert werden, auf diese Weise endlos erscheint und sie keinen Halt mehr finden. So lernt das Kind nicht konsequent mit seinen Affekten und Begehrlichkeiten umzugehen, diszipliniert zu sein und grundlegende Kulturtechniken einzuüben. Das hat dann zumeist verheerende Folgen, nicht erst im späteren Leben. 

Wer Verständnis hat, sollte dieses nicht immer zeigen und zwar, um Dammbrüche bei denen zu verhindern, die sich aufgrund der verständnisvollen Haltung immer mehr herausnehmen. So entstehen beispielsweise kleine Tyrannen, die in Familien für viel Kummer sorgen und erst an Haltlosigkeit gewöhnt, auch später im Beruf und im gesellschaftlichen- sowie im Privatleben stets aufs Neue ausloten, ob sie auf Menschen stoßen, die für ihr immer ausgeprägteres egoistisches Verhalten exkulpierendes Verständnis aufbringen. 

Für jedes Verhalten, auch für jedes Fehlverhalten gibt es Gründe und je mehr man sich mit Psychologie befasst, umso klarer wird, wieso ein Mensch sich in irgendeiner Weise verhält bzw. fehlverhält. Verstehen bedeutet aber noch lange nicht, entschuldigendes Verständnis aufzubringen. 

Bewusst muss uns sein, dass Verständnis nicht dazu führen kann, Haltlosigkeit zu forcieren, denn auf diese Weise entwickeln sich nicht nur kleine Tyrannen, sondern später dann auch Psychopathen und Verbrecher. 

Das Verständnis wird, wenn man in dessen Folge alles zulässt, vom Haltlosen (m/w) als innere Schwäche interpretiert. Der Haltlose (m/w) lebt einerseits, wo er nur kann, seine Haltlosigkeit aus, sucht aber zugleich verzweifelt nach Halt und gerät nicht selten an dubiose Menschen, die ihm das vermitteln, was ihm als Kind und auch späterhin verwehrt wurde: Glasklare Grenzen. 

Spieler wissen das ebenso, wie Haltlose, die in Sekten oder mafiöse wie auch rechtsradikale Kreise geraten sind. 

Speziell die Verantwortungslosigkeit eines Menschen hat ihren Ursprung leider allzu oft in zu viel gezeigtem Verständnis eines Erziehungsberechtigten in jungen Jahren. Im Grunde spiegelt der Verantwortungslose die Verantwortungslosigkeit des Erziehungsberechtigten, die darin besteht, keinen Halt gegeben zu haben. 

Um einer aufrichtiger, gradliniger Mensch zu werden, benötigt ein Mensch als Kind Vorbilder und er benötigt vor allem Halt, um neugierig  seinen Raum zu erkunden und ihn ethisch zu definieren.

Der Philosoph Kant sagte "Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt". Genau das muss jeder Mensch neu erlernen. Hat er dies begriffen, hat er seinen Raum ethisch definiert und  damit die Grundlage für ein positives Miteinander geschaffen.

Helga König

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